1) Muttersprache
1) Muttersprache Das Haus, in dem du schreibst, wird nächtlich abgerissen, verbrannt in einer Glut, im wortlosen Vermissen. (St Andrews, Quad Room 65)
Blog of Christian Lehnert, who was our Writer in Residence in October 2017.
1) Muttersprache Das Haus, in dem du schreibst, wird nächtlich abgerissen, verbrannt in einer Glut, im wortlosen Vermissen. (St Andrews, Quad Room 65)
2) Die Arche Haut aus Regen, wie aus Glas, liegt auf Wiesen, hüllt die Hufe schwarzer Rinder, ihre Rufe dämpft die Nässe, dämmt das Gras. Ihre Nüstern ziehen Kreise, höher steigt der Dunst, die Nacht, nur der Weidezaun bewacht ihre Arche vor der Reise. (30.9. 2017, Hügelkuppe im Nebel bei Cupar) … Read more
3) Der Hund auf dem Schiff: Credo quia absurdum Hechelnd, daß die Angst ihn nicht greift, nicht einwächst in den hohen witternden Kopf, ihn engt, wo sonst die Welt sich zeigt, weil sie riecht, ihr Atem härtet zu Dingen, steht der Hund gespannt auf dem Stahlsteg, schnüffelt irr, wo nichts mehr sicher … Read more
4) Epiphanie Der Schwan berührt das Meer genau an jener Stelle, wo Licht verstanden wird, die brandungslose Welle. (3.10. 2017, Hafen von Pittenweem) 5) Rand der Sprache Die weichen Stengel Tang, sie schwanken in den Wellen. So heißt mein Wortbestand: die unterspülten Stellen. (3.10. 2017, Hafen von Pittenweem)
Schottische Funde Der Blick in die Natur ist ein Blick in die Fremde. Abgesichertes Sprechen wird dort unmöglich, wo wir Wesen begegnen, die nicht Teil sind unserer wuchernden Menschenräume. Dichter wird das Netz, das uns einschließt in vorstrukturierte Wirklichkeiten. Öffnung, sei es für das Unerwartete und Unbekannte im Innern des Menschen, sei es für die … Read more
7) Von der Herkunft eines Gedichts Du siehst den Möwen nach, den Schatten, die verrauschen. So heißt der erste Vers: Geräusch des eignen Lauschens. (St Andrews, West Sands, 6. Oktober 2017) Translation by Joanna Kalemba 7) About the origin of a poem You watch the seagulls fade, their shadows drawing … Read more
8) Sturm im Glen Doll Ein Wimmern in der Luft, als sei der Wind verletzt und schleppt sich aus der Welt – er atmet ein zuletzt? ( 7. Oktober 2017)
9) Geröll, ein Echo Geröll, ein Echo schläft im steilen Hang, das niemand mehr versteht, von dessen Stimme nur Schutt zurückblieb, Flechtenstille, Glimmer, und was verschwand, ist ungewiß: Der Hang verschweigt im Sturm, wenn noch die Falken kauern in Wällen Moos, verschweigt im Heidekraut, im Bachlauf, den ein Schafskadaver staut, verschweigt den Nachhall … Read more
10) Ins Offene Das Brennesselgesträuch wächst dicht nach allen Seiten, kennt keinen Weg, nur Raum, den Wurzeln suchend weiten. (Am Feldrand, Cupar, 10. Oktober 2017) Translation by Rebecca Hagen In the open The bush of the stinging nettle grows thickly to all sides, knows no path, just space, searching for … Read more
11) Im Erwachen Noch ist der Tastsinn fremd, ist außen noch kein Raum: Ich bin ein Gliedertier in seinem Muscheltraum. (St Andrews, 11. Oktober 2017) Der eigene Ton Ein Fremder wachte auf, er sprach dieselben Dinge und irrte so wie ich, hofft, daß ich in ihm schwinge. (St Andrews, … Read more
12) Der Feuerkäfer Sein Weg geht durchs Holz: Durch Rinden, durch den Moder kriecht unbeirrt ein Lodern, ein Glühen und ein Brennen, ein Schwelen und ein Sengen. So lehrt er es seinen Kindern: Alles, was lebt, ist es selbst und etwas anderes. (Letham, 11. Oktober 2017) Translation by Joanna Kalemba The … Read more
13) Abenddämmerung über Letham Ich spüre die Gelenke der Zeit. Am Tag verwuchsen Knochen, hart im Sekundensprung. Am Abend kommt die Weichheit wieder, duckt sich die Nacht in die schnellen Wolken. (Letham, 12. Oktober 2017) Translation by Kathryn Kean Nightfall over Letham I feel the joints of time. In the … Read more
14) Weiden Ein Stimmgewirr erzählt im roten Klee, im Gras. So heißt das Weideland: die Prosa ohne Maß. (In den Hügeln westlich von St Andrews, 13.10. 2017)
Poem translations by Modern Languages students of German